Mit Farben gegen Gefahren
Beim Wettbewerb „Einfälle gegen Unfälle“ der UK RLP bot sich der Jury ein Hallenboden voller Ideen
Die Sporthalle der IGS Pellenz in Plaidt sieht heute ganz anders aus als sonst. Keine tobenden Schüler, keine Sportgeräte – stattdessen ein Meer aus Farben, Ideen und Botschaften: 3786 Bilder liegen in Fünferreihen auf dem Hallenboden, jedes einzelne gestaltet von Sechstklässlerinnen und Sechstklässlern von 98 Schulen aus Rheinland-Pfalz. Sie alle nehmen teil am traditionsreichen Mal- und Zeichenwettbewerb „Einfälle gegen Unfälle“, den die Unfallkasse Rheinland-Pfalz (UK RLP) seit 1982 gemeinsam mit dem Bildungsministerium veranstaltet. Und die Resonanz ist ungebrochen.
Kreativität trifft Prävention
Der Wettbewerb verbindet zwei Welten, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben: Kunst und Unfallverhütung. Doch die Schülerinnen und Schüler beweisen Jahr für Jahr, wie gut das funktioniert. Mit Stiften, Wasserfarben und Fantasie setzen sie sich mit den Gefahren ihres Alltags auseinander und zeigen, wie sie sich vermeiden lassen.
Die Themenvielfalt ist beeindruckend: Von der klassischen Bananenschale über E-Roller-Gefahren bis hin zu Mutproben wie der Hot-Chip-Challenge – die Kinder zeigen ein feines Gespür für Risiken, die ihnen im Alltag begegnen. Ob auf dem Schulweg, im Schwimmbad, beim Sport oder im Internet – überall lauern Risiken. Und die Kinder haben jede Menge kluge Ratschläge parat: „Nicht in Höhlen krabbeln“, „Niemals zu zweit E-Roller fahren“, „Nicht zu schnell essen“, „Du musst dich immer eincremen“, „Bei Gewitter das Schwimmbecken verlassen“, „Nicht auf Socken rennen“, „Mach nicht alles nach, was du im Internet siehst“ – das sind nur einige der Tipps, die kreativ und oft mit einem Augenzwinkern aufs Papier gebracht wurden.
Jury mit demokratischem Blick
Die Jury, bestehend aus Georg Ehrmann vom Ministerium für Bildung Rheinland-Pfalz sowie den Lehrkräften Bernd Kammer, Helen Lauer, Cornelia Plath, Steven Rühle und Christian Hacker, wird ergänzt durch Schülerinnen und Schüler der IGS Pellenz. Gemeinsam durchstreifen sie die Halle, scannen die Bilder und diskutieren auf Augenhöhe. „Ich lasse mich von den Schülerjurorinnen und -juroren gerne leiten“, erzählt Cornelia Plath. Das Verhältnis ist demokratisch – jede Meinung zählt.
Trotz aller Begeisterung für die Kreativität der Kinder bringt der Wettbewerb auch organisatorische Herausforderungen mit sich. Jördis Hasler, die den Wettbewerb seitens der Unfallkasse betreut, zeigt sich verärgert darüber, dass einige der eingesandten Bilder auf der Rückseite lediglich den Namen des Kindes tragen – jedoch nicht den der Schule. Dabei wird in der Wettbewerbsausschreibung ausdrücklich darauf hingewiesen. „Das macht eine Zuordnung unmöglich – solche Bilder sind leider von vornherein aus dem Rennen“, erklärt sie. Ein ärgerlicher Verlust, denn auch unter diesen Werken könnten sich potenzielle Gewinnerbilder befinden.
Auch ohne dieses Problem ist die Sichtung für die Jury eine Herausforderung. „Man muss den Blick schon sehr schnell schweifen lassen“, erklärt Plath. Sie selbst achtet deshalb auf besondere Darstellungen. Sticht ein Bild farblich heraus? Ist das Thema interessant? Dann ist die Chance da, dass sie es in ihre Auswahl aufnimmt. Helen Lauer legt Wert auf die Aktualität der Themen und darauf, dass die Bilder nicht nur Gefahren zeigen, sondern auch Lösungen anbieten. Manche Motive lassen alle schmunzeln – etwa die Warnung vor Gefahren im Dino-Park oder der gut gemeinte Rat, nicht mit Pistolen zu spielen. Das sei eher „nicht so alltagsrelevant“, meint Juror Christian Hacker – erkennt aber auch darin die kindliche Perspektive auf Sicherheit.
Wenn Bilder Erinnerungen wecken
Für Georg Ehrmann ist ein Bild besonders eindrücklich: Eine Szene, in der ein Silvesterböller aus der Hand gezündet wird – eine gefährliche Mutprobe, die er selbst noch aus seiner Jugend kennt. „Das ist wirklich eine Versuchung gewesen – aber eine gefährliche“, sagt er. Dass viele Kinder dieses Thema aufgreifen, zeigt, wie präsent solche Risiken auch heute noch sind.
Woran liegt es, dass der Wettbewerb auch noch nach mehr als 40 Jahren immer noch aktuell ist? Für Georg Ehrmann gibt es dafür gleich mehrere Gründe. Zum einen habe es sich trotz Handy und Internet bis heute nicht geändert, dass Kinder gerne kreativ sind und mit den Händen arbeiten. Ein Dauerbrenner ist darüber hinaus das Thema des Wettbewerbs: Gefahren. Die gab es immer schon, und gefühlt sind in den vergangenen Jahren immer mehr dazugekommen. „Jeder kann aus seiner Familie, aus der Nachbarschaft oder dem Bekanntenkreis erzählen, wo es einmal schief gegangen ist“, so Ehrmann. Und wo es um die Verhütung von Gefahren geht, seien Kinder besonders sensibel: „Sie hüten die Familie in diesem Alter.“
Als Kunstlehrerin betont Cornelia Plath die Bedeutung der Kunstförderung: „Mir ist wichtig, dass die Kinder ihre zehn Finger in die Hand nehmen und selbst etwas kreieren.“ In einer Zeit, in der vieles digital passiert, ist das Malen mit Stift und Pinsel ein wertvoller Gegenpol und ein Weg, sich mit wirklich wichtigen Themen auseinanderzusetzen.Gefahren gibt es schließlich überall – und die Kinder wissen das. Ihre Bilder sind nicht nur Kunst, sondern auch Botschaften. Mit Stift und Pinsel statt Klick und Swipe.
Und wer gewinnt? Nach mehreren Stunden intensiver Sichtung stehen die Preisträgerinnen und Preisträger in den Kategorien „Realschulen plus“, „Gymnasien, IGS und Waldorf-Schulen“ sowie „Förderschulen“ fest. Zur Belohnung gibt es Geld- und Buchpreise, die bei der feierlichen Preisverleihung Ende des Jahres bei der UK RLP in Andernach überreicht werden. Die Schulen, aus denen die Preisträgerinnen und Preisträger stammen, werden schnellstmöglich postalisch über die Ergebnisse informiert.