Straßenansicht aus der Sicht eines oder einer Radfahrenden. Zu sehen sind Lenker und Hände des oder der Fahrenden. Und eine Autotür, die sich wenige Meter voraus plötzlich öffnet.
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Wie der „Holländische Griff“ vor Dooring-Unfällen schützt

Einfacher Trick bringt mehr Sicherheit für Radfahrende

Radfahren liegt im Trend – ob auf dem Weg zur Arbeit, zur Schule oder in der Freizeit. Doch gerade in Städten, wo Radwege oft direkt an parkenden Autos entlangführen, lauert eine unterschätzte Gefahr: sogenannte Dooring-Unfälle. Dabei stoßen Radfahrende mit plötzlich geöffneten Autotüren zusammen. Die Folgen sind häufig schwer – vor allem deshalb, weil die Türkante sich auf Kopfhöhe befindet. 

Laut einer Forsa-Umfrage haben fast die Hälfte aller befragten Radfahrenden (45 Prozent) schon einmal beinahe einen Dooring-Unfall erlebt. 6 Prozent waren tatsächlich betroffen, und mehr als ein Drittel hat grundsätzlich Angst davor, mit einer sich plötzlich öffnenden Autotür zu kollidieren. Doch warum kommt es so oft zu Dooring-Unfällen? Das Problem: Beim Aussteigen aus dem Auto vergessen Autofahrende (und auch ihre Mitfahrenden) oft, sich per Schulterblick zu versichern, dass sie gefahrlos die Tür öffnen können. Das Ergebnis: Sich nähernde Fahrräder oder E-Scooter werden nicht gesehen – und geraten dadurch in Gefahr. Gerade bei höherer Geschwindigkeit der Person auf Rad oder E-Scooter oder einem Ausweichversuch kann die Situation dramatisch enden. 

Was kann helfen? Der Blick in den Rück- oder Seitenspiegel reicht häufig nicht aus, da sich Radfahrende schnell nähern oder auch im toten Winkel liegen können. Zwar haben Fahrzeughersteller „Ausstiegswarner“ entwickelt, die bei Herannahen eines Fahrrads optisch oder akustisch warnen oder die Türöffnung kurz blockieren. Doch auch „Ausstiegswarner“ haben ihre Grenzen und funktionieren nicht unter allen Umständen perfekt. 

Die einfache Lösung ist der „Holländische Griff“ – ein effektiver Trick, um ganz ohne Technik mehr Sicherheit zu schaffen. Und so funktioniert er: Statt mit der Hand, die der Autotür am nächsten liegt, zur Tür zu greifen, wird bewusst die andere Hand benutzt – beim Fahrenden die rechte, beim Beifahrenden die linke Hand. Durch diese Bewegung dreht sich der Oberkörper automatisch zur jeweiligen Straßenseite, der Kopf geht über die Schulter – und der Blick erfasst, ob sich jemand nähert oder nicht.

Ein paar Sekunden Aufmerksamkeit beim Aussteigen können also den Unterschied zwischen einem sicheren Alltag und einem vermeidbaren Unfall machen. Für den Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) gehört der „Holländische Griff“ übrigens ausdrücklich zu einem rücksichtsvollen Verkehrsverhalten. Wer diesen kleinen Griff zur Gewohnheit macht, trägt aktiv dazu bei, das Risiko für Rad- und E-Scooter-Fahrende zu senken.

Zu viele passen nicht auf

Dooring-Unfälle sind oft untererfasst, da sie nicht in allen Bundesländern als eigener Unfalltyp dokumentiert werden. Viele Studien basieren daher auf Stichproben, Versicherungsdaten oder Krankenhausmeldungen. Eine gute, aber schon etwas ältere Grundlage bietet die im Artikel angesprochene Forsa-Umfrage. Sie wurde im Jahr 2019 im Auftrag des DVR durchgeführt – im Rahmen der Kampagne „Kopf drehen, Radfahrende sehen!“ und mit Unterstützung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur sowie der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). 

Zentrale Ergebnisse der Umfrage:

Die Illustration zeigt, wie man es richtig machen sollte: Ein Autofahrer greift mit der rechten Hand zur Tür, um sie zu öffnen. Dabei dreht sich sein Oberkörper, und sein Blick trifft auf einen Radfahrer, der ihn ebenfalls ansieht.
So klappt es mit dem Sichtkontakt: Mit dem „Holländischen Griff” dreht sich der Oberkörper automatisch in Richtung Schulterblick. Illustration: Michael Hüter
  • 16 Prozent der befragten Autofahrenden machen selten oder nie einen Schulterblick, bevor sie die Tür öffnen.
  • 13 Prozent denken beim Aussteigen selten oder nie daran, dass sich Radfahrende von hinten nähern könnten.
  • 7 Prozent nutzen selten oder nie die Spiegel, um sich zu vergewissern, dass keine Radfahrenden gefährdet werden.
  • Nur 88 Prozent der Befragten wussten überhaupt, dass sie laut Straßenverkehrsordnung dazu verpflichtet sind, beim Aussteigen auf andere Verkehrsteilnehmende zu achten.

Aufpassen müssen aber nicht nur Personen, die aus stehenden oder parkenden Auto aussteigen möchten. Auch Autofahrende, die hinter einem Radfahrenden herfahren oder ihn überholen wollen, müssen immer damit rechnen, dass Radfahrende einer sich öffnenden Tür ausweichen müssen. Auch deshalb ist immer ein ausreichender Abstand zu halten. Dies gilt auch im Begegnungsverkehr.

Radfahrenden empfiehlt der DVR, bremsbereit zu sein, einen Sicherheitsabstand von mindestens einem Meter zum parkenden Fahrzeug zu halten und auf Signale zu achten, die das Öffnen der Fahrzeugtüren wahrscheinlich erscheinen lassen. Da Kopfverletzungen bei Dooring-Unfällen sehr häufig sind, empfiehlt der DVR auch vor diesem Hintergrund dringend, einen Fahrradhelm zu tragen.

Begriffs-Ursprung und Klicktipp

Was hat Holland mit dem „Holländischen Griff“ zu tun? Klar: Die Niederlande haben eine ausgeprägte Fahrradkultur – tatsächlich gibt es in unserem Nachbarland mehr Fahrräder als Einwohner. Der Holländische Griff geht auf eine Sicherheitsgewohnheit zurück, die in den Niederlanden schon seit Jahrzehnten praktiziert wird. Um Radfahrende besser zu schützen, wird der Griff dort von Fahrlehrern unterrichtet und von Eltern an ihre Kinder weitergegeben. Die Methode ist in den Niederlanden so selbstverständlich und verbreitet, dass es dort gar keinen eigenen Namen für sie gibt.

International sieht das anders aus: Weltweit ist der „Holländische Griff“ als „Dutch Reach“ bekannt geworden. Geprägt wurde der Begriff 2016 von einem Arzt aus Cambridge (USA), als er das „Dutch Reach Project“ ins Leben rief – eine internationale Initiative zur Förderung des Holländischen Griffs als einfache, aber wirkungsvolle Methode, um Dooring-Unfälle zu vermeiden. Das Projekt verfolgt nach wie vor das Ziel, den Holländischen Griff weltweit bekannt zu machen. Auf der Internetseite www.dutchreach.org bietet es unter anderem Materialien für Fahrlehrer, Behörden und Sicherheitsbeauftragte, Grafiken, Videos und Schulungsmaterialien in mehreren Sprachen sowie Empfehlungen für Fahrprüfungen und Verkehrsregeln.

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