Sabrina Busch: Ein Unfall veränderte 2012 ihr Leben
Unfallkasse begleitet und unterstützt sie seitdem
„Ich habe keine Lust, meinen gesundheitlichen Werdegang in einem Supermarkt über Frühlingszwiebeln und Erdnüssen zu erläutern“, sagt Sabrina Busch. Die Studentin ist seit einem Verkehrsunfall, der sich auf dem Heimweg von der Uni in Mainz am 29. Oktober 2012 ereignete, querschnittsgelähmt. Seitdem unterstützt und begleitet die Unfallkasse Rheinland-Pfalz Sabrina Busch. Als Studierende ist die junge Frau aus Altenahr in der seit 50 Jahren bestehenden Schülerunfallversicherung der Unfallkasse Rheinland-Pfalz versichert. „Alles aus einer Hand: Das Versprechen hält die Unfallkasse in jeder Hinsicht“, sagt die heute 32-Jährige. Notoperation, Heilbehandlung, Rehabilitation und Entschädigung: „Die Reha-Manager der Unfallkasse waren von Anfang an dabei“, so Busch. Sie übernimmt die Kosten für Hilfsmittel und erforderliche Umbauten, unterstützt wo es geht. Auch während eines dreijährigen Kanada-Aufenthaltes stand sie im Kontakt mit ihrem Reha-Manager. Seit dem vergangenen Jahr sind sie und ihr Lebensgefährte wieder zurück in Deutschland. „Die Umstellung ist gravierend“, sagt sie. „Warum werden Menschen mit Behinderungen noch immer so sehr von äußeren Begebenheiten und in der Schlussfolge durch ihre Mitmenschen behindert?“
Sabrina Busch, Versicherte der Unfallkasse Rheinland-Pfalz: „Ich kann nicht anders, als zu hoffen, dass Teilhabe irgendwann in unserer Gesellschaft offen und herzlich praktiziert wird“
Ihre Erfahrungen aus dem Alltag schildert Sabrina Buch aus der Perspektive als Frau mit Behinderung.
Von Supermärkten und Utopien
Eine Frau mit Behinderung schildert ihre Erfahrungen aus dem Alltag
„Was ist Ihnen denn passiert?“ An der Supermarktkasse. In 100 Prozent dieser Fragen habe ich keine Lust, meinen gesundheitlichen Werdegang in einem Lebensmittelmarkt über Frühlingszwiebeln und Erdnüssen zu erläutern. Ein Grund neben anderen ist, dass ich persönlich diese Frage unheimlich langweilig finde. Für die fragende Person ist das natürlich eine einzige Frage, für mich aber die immer wiederkehrende, unaufgeforderte Frage, die mich in den willkürlichsten Situationen erreicht. Wieso werde ich eigentlich nie angetippt und gefragt, wohin meine letzte Reise ging? Nach Tofino in Kanada – da ist es traumhaft! Oder welches Buch ich zuletzt mit großer Begeisterung gelesen habe? “Was man von hier aus sehen kann“, von Mariana Leky – das war unglaublich charmant! Darüber würde ich zum Beispiel liebend gerne sprechen.
Was sich nämlich ziemlich schnell nach meinem Unfall herausstellte…: Die Behinderung ist zwar immer mit dabei, aber sie ist definitiv keine Charaktereigenschaft und auch kein Persönlichkeitsmerkmal. Was sie jedoch gut kann: Vorhandene Charaktereigenschaften ins Rampenlicht stellen. Ungeduld und Neid, aber auch Kreativität und Offenheit zeigen sich je nach Situation ganz deutlich.
Meinen Freiheits- und Selbstbestimmungsdrang hat die Querschnittlähmung auch eher verstärkt. Nur muss ich für die Umsetzung meiner Pläne meist energischer kämpfen und mehr organisieren. Wenn man so manchem Sensationsjournalismus begegnet, fallen oft Phrasen wie: „an den Rollstuhl gefesselt“ und Ähnliches. Solche Berichte muss ich dann immer sofort boykottieren, da die Macher die Situation nicht begreifen bzw. nicht begreifen wollen. Denn der Rollstuhl ist ja genau das Mittel, das mir trotz Unfallfolgen Freiheit und Selbstbestimmung ermöglicht. Leider sind es Begebenheiten und veraltete Auffassungen, die mich dann doch wieder in meinem Alltag einschränken.
Um meinen Freiheitsdrang zu stillen, bin ich schlussendlich nach Vancouver in Kanada gezogen und da war ich ziemlich frei. Das bedeutet nicht gleich, dass es dort keinerlei Hindernisse gab. Aber da gibt es eine barrierefreie Straßenbahn, Rampen vor Restaurants und Cafés mit rollstuhlgerechten Toiletten, barrierefreie Kinos und Schwimmbäder. Die Tatsache, dass dort ein Großteil des sozialen Lebens auch für Menschen mit Behinderungen zugänglich ist, hatte zur Folge, dass ich nicht immer automatisch die einzige und erste Person im Rollstuhl war, die die Örtlichkeiten besuchte und dass Beeinträchtigungen insgesamt einfach ein alltäglicher Bestandteil des öffentlichen Lebens waren.
Mir blieben also einige unangenehme Situationen erspart. So zum Beispiel im Umgang mit Dienstleistenden, die in weniger barrierefreien Ländern – wie beispielsweise in Deutschland – ständig vorkommen.
Zurück in Deutschland und zum ersten Mal nach dem Studium im Arbeitsalltag angekommen, ist die Konfrontation mit meiner Behinderung wieder neu entfacht. Mein Alltag wird oft automatisch entschleunigt: Ich warte auf Aufzüge, muss mich zwischendurch immer mal entlasten, um nicht 16 Stunden am Stück zu sitzen, und ich brauche Zeit für Physiotherapie etc. In meiner Studienzeit war diese nötige Flexibilität einfach gegeben.
Während aber jetzt alle immer alles geben, muss ich selbst herausfinden, wie ich in diese Leistungsgesellschaft passe. Und während ich Pausen einlegen muss, habe ich Zeit darüber nachzudenken, wie erstrebenswert es denn wirklich für mich ist, mit Vollgas durch die Jahre zu rasen.
Die Frau an der Supermarktkasse fragt aber nur nach dem nervigsten Teil meiner Geschichte und deshalb führt unser Gespräch auch zu nichts.
Was ich mich wieder den Rest des Tages frage, ist Folgendes: Behinderungen sind so alt wie die Menschheit. Unsere Körper sind nun einmal verletzlich und funktionieren ganz unterschiedlich. Warum ist das Thema Behinderung immer noch so eine Randerscheinung?
Warum werden Menschen mit Beeinträchtigungen noch immer so sehr von äußeren Begebenheiten und in der Schlussfolge durch ihre Mitmenschen behindert?
Anstatt Teilhabe zu erleben, muss man regelrecht dafür kämpfen, nicht übergangen oder vergessen zu werden. Das kostet Zeit und Energie. Und meistens auch Geld. Ich bin sehr privilegiert durch die Unfallkasse Rheinland-Pfalz, die mich mit notwendigen Hilfsmitteln ausstattet, damit die Behinderung eben nicht mein gesamtes Leben einnimmt. Ich habe Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, mit denen ich mich auf Augenhöhe austauschen kann und die mir dabei helfen Hindernisse zu überwinden.
Und weil ich ein großer Fan von Utopien bin, kann ich nicht anders als zu hoffen, dass Teilhabe irgendwann in der gesamten Gesellschaft so offen und herzlich praktiziert wird.
Sabrina Busch
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Mit der Aktion "Dein Start. Unser Ziel." macht die gesetzliche Unfallversicherung gemeinsam mit den BG Kliniken, dem Deutschen Rollstuhl-Sportverband und dem Deutschen Behindertensportverband auf Menschen aufmerksam, die nach einem Unfall mithilfe der gesetzlichen Unfallversicherung und Sport ihrer Leidenschaft nachkommen.
Weitere Informationen dazu und natürlich das Video mit Sabrina Busch finden Sie auf den Webseiten der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung DGUV.
Besuchen Sie Frau Busch auch auf Instagram: @fraufroschschreibt